Wie erkennt man den Erhaltungszustand alter Filmrollen?

Der physische Zustand einer analogen Filmrolle ist entscheidend für ihren Sammlerwert, ihre Projektionsfähigkeit und ihre langfristige Haltbarkeit. Ob Zelluloid, Acetat oder Polyester – jede Filmgeneration hat ihre typischen Schwächen. Wer alte Filmrollen sammelt, restauriert oder handeln möchte, sollte die wichtigsten Kriterien der Zustandsbeurteilung kennen. Dieser Leitfaden liefert Ihnen praktische Hinweise zur Prüfung, Bewertung und Archivierung.

Wichtige Merkmale für Zustandseinschätzung

Eine fachgerechte Zustandsbewertung beruht auf mehreren Kriterien:

  • Geruch (Essigsäure, Schimmel, Chemikalien)
  • Bildoberfläche (Kratzer, Verfärbungen, Schrumpfung)
  • Perforation (Ausrisse, Verformungen, Risse)
  • Trägermaterial (Sprödigkeit, Wellen, Kristallbildung)
  • Lagerform (locker/straff gewickelt, Spannungsverhalten)

Ergänzend sind Jahrgang, Format und Lagerbedingungen zu berücksichtigen.

Geruchstest: Hinweise auf Degradation

Ein typisches Warnsignal ist Essiggeruch – Hinweis auf das sogenannte Vinegar Syndrome, das bei Acetatfilm auftritt. Weitere Gerüche:

  • Scharf stechend: Essigsäure → chemischer Zerfall
  • Muffig/modrig: Schimmelbildung
  • Süßlich/chemisch: Nitratfilm (Zelluloid) in frühem Verfall

Ein starker Geruch ist nie ein gutes Zeichen – und sollte Anlass für Quarantäne oder gesonderte Lagerung sein.

Optische Kontrolle unter Licht

Mit einer Lichtplatte oder einem Lupenprojektor lassen sich folgende Punkte erkennen:

  • Verblassungen oder Farbstiche (besonders bei Farbumkehrfilm)
  • Ablösungen der Schicht oder Gelbverfärbungen
  • Kratzer, Belichtungsschäden, Lichtrisse
  • Einrollen der Kanten durch Schrumpfung
  • Risse in der Perforation oder Deformationen

Achten Sie auf gleichmäßige Planlage und glatte Bildoberfläche – beides spricht für einen guten Zustand.

Typische Schäden und ihre Ursachen

Schaden

Ursache

Hinweise

Schrumpfung

Alterung, falsche Lagerung

Tonversatz, Projektionsfehler

Kristallbildung

Nitrat-Zerfall

Weißliche Ablagerungen

Essiggeruch

Acetat-Verfall (Vinegar Syndrome)

Gase, Emulsionsablösung

Schimmel

hohe Feuchte, mangelnde Belüftung

Flecken, Verfärbungen, Geruch

Risse/Brüche

zu enge Wicklung, Zugspannung

Mechanischer Abrieb, Materialbruch

Bildverlust

unsachgemäße Reinigung/Klebereste

Fehlstellen, matte Partien

Verpackung als Indikator für Erhaltung

Die Art der Verpackung gibt erste Hinweise auf Pflege und Lagergeschichte:

  • Archivdosen mit Lüftungsschlitzen → gut
  • Originalmetallbox mit Rost → kritisch
  • PVC-Hüllen, Pappkartons → ungeeignet
  • Aufkleber mit Archivcodes oder Datumsangaben → professioneller Hintergrund

Ist die Filmrolle straff oder unregelmäßig gewickelt, sollte das Material vorsichtig kontrolliert werden – zu starke Spannung deutet auf Schrumpfung.

Unterschiede zwischen Filmformaten

  • 8mm & Super 8: besonders empfindlich, oft Hobby- oder Privatfilme
  • 16mm: Schul- und Dokumentarfilme, meist auf Acetat
  • 35mm: Kinoformate, alle Trägermaterialien möglich
  • 70mm: robust, aber seltener – meist Polyester, heute weniger anfällig

Kleinformate sind oft schlechter gelagert worden – der Zustand ist hier besonders prüfbedürftig.

Zustand in Sammlerkreisen bewerten

Die gängige Bewertung erfolgt in Kategorien:

  • sehr gut – farbstabil, ohne Schäden, keine Geruchsentwicklung
  • gut – leichte Kratzer, minimale Schrumpfung, optisch brauchbar
  • gebraucht – sichtbare Alterung, Verfärbungen oder Schwächen
  • kritisch – Essiggeruch, Schrumpfung, Projektionsuntauglichkeit
  • unspielbar – Schimmel, Rissbildung, Zerfall, nur noch museal nutzbar

Im Zweifelsfall: lieber konservieren statt projizieren.

Wie Restauratoren den Zustand prüfen

Professionelle Filmarchivar:innen und Restaurator:innen verwenden:

  • Schrumpfmaßgeräte zur Erfassung von Dimensionsveränderungen
  • pH-Indikatorstreifen zur Feststellung von Säuregehalt
  • Feuchtigkeitsmessgeräte zur Klimaüberwachung
  • UV-Licht und Digitalmikroskopie zur Detektion von Schimmelsporen
  • Dokumentation jeder Änderung – für spätere Vergleichbarkeit

Für Sammler lohnen sich Lupen, Handschuhe, Lichtplatte und Lagerbuch als Grundausstattung.

Bewertung im Auktionskontext

Bei Auktionen gilt: Zustand ist wertentscheidend.

  • Projektionstauglich & originalverpackt = hoher Marktwert
  • Essiggeruch oder Schrumpfung = deutliche Abwertung
  • Gut dokumentierte Rolle mit Herkunftsnachweis = Sammlervorteil
  • Trailerrollen, Vorführkopien & Vorabversionen = wertvoll trotz Gebrauchsspuren, wenn selten

Transparenz über Mängel schafft Vertrauen – und verhindert Rücksendungen.

Langfristige Auswirkungen falscher Lagerung

Falsche Lagerung (z. B. in Kellern, auf Dachböden oder in Plastiktüten) kann zu irreversiblen Schäden führen:

  • Vinegar Syndrome kann sich auf andere Rollen übertragen
  • Schimmel ist hoch infektiös und schädigt auch Archivräume
  • Hitzeeinwirkung führt zu Schrumpfung, Verformung und chemischem Abbau

Je früher der Zustand erkannt und dokumentiert wird, desto höher die Chance auf Erhalt.

Quellen:

FIAF Preservation Guidelines
Kodak Motion Picture Technical Docs
Bundesarchiv-Filmarchiv Schulungsmaterial
Österreichisches Filmmuseum: Bestandspflege & Schadensbilder
Interviews mit Filmrestaurator:innen (2022–2024)

 

Zurück zum Blog